Führung in der Fläche

Ein Interview mit unserem Partner Dr. Axel Sauder

undconsorten unterstützt mehrere große Flächenorganisationen bei der Verbesserung ihrer Führungsleistung. Als Expert:innen für Führung und Organisation wissen wir, dass dies ein Schlüssel zu mehr organisatorischer Leistung ist. Denn wirksame Umsetzung und gemeinsame Ausrichtung sind in verteilten Großorganisationen besonders schwierig herzustellen, wo Führungskräfte oft auch auf Distanz präsent sein und wirksame Impulse setzen müssen

Im Interview spricht Partner Dr. Axel Sauder über die Erfahrungen aus großen Projekten zur Veränderung von Führung in Flächenorganisationen.

Was sind typische Ausgangspunkte für solche Projekte?

Wir sehen vor allem zwei Anlässe – entweder den Wunsch nach mehr Durchschlagskraft in bestehenden Strukturen oder aber die Notwendigkeit, auf erheblichen Wandel im Unternehmen auch auf der Führungsseite zu reagieren. Zwei Beispiele zeigen die Verschiedenartigkeit von Ausgangslagen: Ein großer Klient im öffentlichen Sektor hat in der Vergangenheit fortschrittliche Strukturen und Prozesse eingeführt und dennoch festgestellt, dass über die Führungslinie in die Fläche erhebliche Reibungsverluste auftreten. Ein anderer Klient aus dem Automobilsektor ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten von einem Familienunternehmen zu einer globalen Organisation gewachsen, die sich nun teilweise neu erfinden muss – Stichworte: Digitalisierung und e-Mobilität. In beiden Fällen liegt die Antwort in besserer Führung – vom Vorstand bis zur Arbeitsebene.

Welche Herausforderungen für „Führung in der Fläche” sind zu meistern?

Nun, erst einmal muss man definieren (oder zumindest herausstellen), was „gute Führung“ eigentlich ist und leisten muss – ohne diesen gemeinsamen Referenzpunkt kommt man nicht weit. Dabei erleben wir oft einen überraschend breiten Konsens über alle Hierarchieebenen, Geschäftsbereiche und Regionen hinweg. Bei unserem Automobilklienten wurden Schwächen insbesondere bei „soften“ Themen wie Feedback, Fehlerkultur und Mitarbeitendenentwicklung gesehen. Noch deutlicher war die Rückmeldung, dass eine Veränderung eines hierarchischen Führungsmodells mit einer gehörigen Dosis „Micro-Management“ erforderlich ist, wenn man mehr Innovationen, mehr Unternehmertum, mehr dezentrale Verantwortung und Schnelligkeit will.

Entscheidend ist aber: Gerade in Flächenorganisationen kommt es auf einen gut austarierten Ausgleich zwischen zentralem Führungswillen und dezentraler Verantwortung an. Dabei sind Führungskräfte immer in einer Doppelrolle – nach „unten“ müssen sie klar führen, aber auch zuhören können; nach „oben“ kommt es darauf an, ihre Sicht der Dinge und ihre Einschätzung des Möglichen mit Rückgrat zu vertreten. Das ist eine besonders große Herausforderung auf den unteren Führungsebenen. Gelingt das nicht, dann sind Führungskräfte nicht führend, sondern ausführend.

Gibt es im Rückblick besondere Erkenntnisse?

Natürlich hat jedes Projekt seine eigene Dynamik, aber einige gemeinsame Themen gibt es schon.

Zunächst einmal bedeutet die Veränderung von Führung immer auch einen umfassenden Kulturwandel, denn sonst macht man etwas falsch… Das bedeutet, dass man diese Projekte auch als große Veränderungsprozesse begreifen muss, bei denen eine „saubere“ technische Implementierung nur die halbe Miete ist. Die schwierigere andere Hälfte ist, die Leute mitzunehmen und zu begeistern. Wir haben das in einer großen Professional Services Firm ganz besonders deutlich gesehen: In einem selbstbewussten und erfolgreichen Unternehmen braucht es eine inspirierende Gesamtgeschichte und letztlich auch einen Vorstand, der deutlich macht, dass es kein Zurück in die alte Welt gibt.

Gibt es konkrete Bereiche, in denen ein angepasstes Führungsverhalten im realen Geschäft besonders schnell sichtbar wird?

Die gibt es und sie sind besonders wichtig, um schnell zu verdeutlichen, wo der Nutzen liegt. Wenn die Zusammenarbeit in einer Matrix oder die Performancedurchsprachen zum Beispiel plötzlich spürbar besser laufen, dann kann das einen enormen Schub geben. Wir begegnen aber leider immer noch bisweilen der Haltung, an die Veränderung von Führungsverhalten vor allem durch Appell und angepasste HR-Instrumente zu glauben.

Wo möglich arbeiten wir daher mit Führungskräften „on-the-job“, an ihren Themen, weil man hier viel weiter kommt als über punktuelle Trainings. Das braucht dann allerdings ein geschicktes und auf die zentralen Punkte fokussiertes Vorgehen, um den Aufwand beherrschbar zu halten.

A propos: Wie schafft man es als kleine Beratung überhaupt, Flächenorganisationen dezentral und nachhaltig bei Führungsthemen zu unterstützen?

Das ist in der Tat eine Herausforderung, übrigens auch für sehr große Beratungen, denn es wird wohl nie möglich sein, als Berater:in flächendeckend und mit nach oben unbegrenztem Ressourceneinsatz zu arbeiten. Wir hielten das im Übrigen auch gar nicht für sinnvoll, denn vielmehr muss es ja gelingen, die Organisation selbst möglichst früh zum Akteur ihrer eigenen Veränderung zu machen. Und dabei helfen einige Ansätze.

Wir arbeiten mit unseren Klienten standardmäßig in gemischten, echten Teams zusammen und binden die Führungskräfte und die lokale HR-Organisation ein. Gerade bei großen Projekten geht es dann darum, die richtigen Verstärker für die eigenen Ressourcen zu nutzen, z. B. frühe Erfolgsbeispiele in relevanten Teilen der Organisation zu schaffen, dort systematisch Multiplikatoren aufzubauen. Und natürlich die Führungskräfte immer wieder selbst in die Pflicht zu nehmen, die Veränderung der Führungskultur in ihrem Verantwortungsbereich als Teil ihrer Führungsaufgabe zu begreifen.

Einmal nach vorne geschaut: Wie wird sich Führung in der Fläche zukünftig weiterentwickeln müssen, um in einer digitalen Welt weiter erfolgreich zu sein?

Digitalisierung und „Future of Work“ sind zu Recht in aller Munde und wir stehen hier vor großen Umwälzungen. Wenn Organisationen zunehmend weniger durch ihre Aufbauorganisation und Standardprozesse, sondern durch agile, kollaborative Arbeitsformen geprägt sind, wenn die Grenze zwischen internen und externen Mitarbeitenden zunehmend verschwimmt und die Mensch-Maschinen-Schnittstelle an Bedeutung gewinnt, dann muss auch Führung sich verändern.

Wir glauben, dass infolge dieser Trends direktives Führen weiter an Bedeutung verlieren und die Rolle der Führungskraft immer mehr die einer „Befähigerin“ von Team und Organizational Performance werden wird. Vermutlich werden auch die tradierten, eindeutigen Führungsbeziehungen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden seltener werden – mit Führungskräften, die in mehreren Bereichen agieren und Mitarbeitenden, die je nach Thema andere Vorgesetzte haben. Wie heute schon in Matrixorganisationen.

Ganz unmittelbar haben die Führungskräfte aber eine wichtige Rolle im laufenden Veränderungsprozess. Digitalisierung und Future of Work sind für jede Organisation eine große Herausforderung, und im öffentlichen Sektor ist es vermutlich eine Revolution! In einem solchen Kontext müssen Führungskräfte einen schwierigen Spagat hinbekommen: Sicherheit vermitteln und gleichzeitig die notwendige Offenheit besitzen, neue Arbeitsweisen aktiv mitzugestalten. Dazu braucht es Führungsstärke und Neugier gleichermaßen.

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