„Fokussieren und Dinge bewegen!“

Vodafone ist als führender Telcoplayer Wegbereiter für die digitale Infrastruktur. Zusammen mit undconsorten hat Vodafone Deutschland einen Digital Accelerator für das Business-Segment aufgebaut und agile Arbeitsansätze eingeführt. Im Interview liefert Martin Grabowski, Bereichsleiter Products, Marketing und Partner-Management-Business, Einblicke in die agile Transformation der Vodafone.

Wie kam es zur Gründung des Digital Accelerators? 
Martin Grabowski: Man kann gewisse Trends nicht einfach ignorieren. Deswegen haben wir immer wieder überlegt was Agile für uns im B2B bedeuten kann. Der Großteil unserer Arbeit hier ist Projektgeschäft und nicht einfach standardisiert. Wir wollten durch den Accelerator existierende oder kommende neue Projekte besser umsetzen – durch moderne und agile Arbeitsmethoden, neue Organisationssetups, neue Rollenprofile, Governancemodelle und Projektablaufstrukturen. Das sollte einerseits zu einer neuen Motivation unserer Leute führen und andererseits natürlich unsere Time-to-Market beschleunigen.

Der Startschuss für den Accelerator fiel vor einem Jahr mit mehreren Produktteams. Wie würdest Du die Erfahrungen bisher bewerten?

Martin Grabowski: Man kann das bereits jetzt als großen Erfolg bezeichnen. Ich sehe das an drei Dimensionen:
 

  • Wir haben die neuen Arbeitsansätze im Unternehmen bekannter und etablierter gemacht. Bis vor einem Jahr hat sich im B2B kaum jemand mit den Themen Scrum, Kanban, Design Thinking, und all den anderen Buzzwords in diesem Umfeld beschäftigt.
  • Wir haben etablierte Organisationen, Abläufe und Situationen aufgelockert und aufgelöst. Durch jahrelange Projektarbeit gab es Missverständnisse zwischen den Teams, was zu Misserfolgserlebnissen und Missverständnissen durch unklare Verantwortlichkeiten führte. Die agilen Ansätze haben zu einer starken Dynamik geführt. Plötzlich war klar: Es gibt jemanden, der für das Projekt, das Thema oder die Lösung der Aufgabe aus dem Team klar benannt war. Das hat bewirkt, dass man wieder an einen Strang zog. Auch scheinbar einfache Sachen, wie als Team zusammenzusitzen, haben dazu beigetragen.
  • Last but not least sieht man natürlich echte Fortschritte in den Projekten, wenn man bei den Stand-Ups und Reviews vorbeischaut. Wir haben beispielsweise mit unserem 5G-Projekt mit eGO die ersten sehr guten Ergebnisse erzielt und deshalb beschlossen auch neue Themen aufzunehmen.

Fällt Dir eine Situation oder Geschichte ein, an der Du gemerkt hast, dass die Uhren anders ticken? 
Martin Grabowski: Es gab Beispiele, wie wir die Projekte zu einem erfolgreichen Ende führen konnten, die stagnierten, weil Teams frustriert waren, Beziehungen waren verfahren, Budgets und Rollen waren unklar. Hinzu kamen Veränderungen in der Führungsmannschaft, die bedingt haben, dass man nicht mehr genau wusste, wer am Ende was wofür verantwortet hat.

Mit der Überführung in agile Ansätze haben wir dort etwas mobilisiert. Man kann da gut festmachen, wie Agile bei ganz großen cross-funktionalen Projekten geholfen hat, die Gefahr des Gesamtüberblickverlustes einzudämmen. Die Einteilung in Unterprojekte mit einzelnen Milestones, Kurzfristerfolgen und Sprints hat zu einer besonderen Dynamik geführt. In dem alten Projekt hat das Team unter allem Druck und aller Frustration gedacht: „Wir haben jetzt noch 12 bis 18 Monate, und dann müssen wir den ganzen Klops liefern. Das packen wir nie!“ Mit dem neuen Ansatz gibt es zum einen die Perspektive „In etwa einem Jahr wollen wir das erreicht haben“, aber zum anderen auch die vielen kleinen Erfolge dazwischen. Ein MVP wird erstellt, es wird getestet, es gibt neue Erkenntnisse, die zu neuen Arbeitspaketen führen. Kleine Erfolgsmeldungen kommen, Teams sehen Fortschritte.

„Fairerweise muss man sagen, dass es auch eine ganze Weile dauert, die Projekte derart neu aufzusetzen.“

Es war viel Arbeit für Euch als Unterstützer:innen, aber auch für die Projektteams und etablierten Ressourcen. Im Onboarding mussten wir viel Klinken putzen, Ressourcen bereitstellen, Leute ansprechen und Themen diskutieren, die vorher nicht hochgekommen waren.

Welchen Herausforderungen seid Ihr begegnet?
Martin Grabowski: Die größte Challenge war sicherlich, das Ganze mit Konzernabläufen, Richtlinien und Genehmigungsprozessen abzustimmen. Da gibt es nach wie vor Baustellen: Die Squads sind teilweise schneller als die Organisation. Wie definiert man Freiheiten und Budgets? Wer entscheidet und wer wird informiert? Es entstehen Herausforderungen, wenn man eine agile Insel in einer traditionellen Organisationstruktur installiert. Aber wir haben es geschafft, Agile einzuführen, breite Unterstützung zu sichern und haben als Ergebnis mehrere parallellaufende erfolgreiche Projekte.

„Du brauchst außerdem auch neue Leute mit den richtigen Fähigkeiten, die bekommt man nicht über Nacht, die sind rar auf dem Markt.“

Und man sieht, dass bei uns die Spezialist:innen mit den richtigen Kompetenzen, die man für einzelne Features benötigt, begrenzt sind. Wir müssen das Wissen also verbreitern, damit die Teams nicht ausgebremst werden oder die Kolleg:innen auf zu vielen Baustellen tanzen müssen.

Was ist aus Deiner Sicht ein Erfolgsfaktor für Agile, gerade auch aus Mitarbeitendensicht?
Martin Grabowski: Ich glaube, dass, wie im Sport, durch die enge Zusammenarbeit und das Teambuilding eine Dynamik entsteht. Man hat Erfolge, spürt Zugehörigkeit, identifiziert sich damit, hat klare, aber nicht zu große Ziele. Da ist man einfach motiviert. Wenn man das richtig hinstellt, hat man Wertschätzung, Erfolgserlebnisse und das motiviert einen. Es ist nicht so fiktiv, nach dem Motto: „Ist mir doch egal, ob ich das Sprintziel einhalte, ich mache es halt nächste Woche“. Die Teammitglieder übernehmen Verantwortung. Man steht morgens vor dem Board und sieht, dass es überall vorangeht. Aber Du hast deine Aufgaben nicht erfüllt und jetzt hängen wir als Team. Das hört sich trivial an, aber Dynamiken helfen in einem Konzern, klar und fokussiert zu bleiben.

Wie erlebst Du den Wandel beim Thema Führung?
Martin Grabowski: Hauptthema ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch in einem Konzern am Ende durch Geschwindigkeit, Resultate, Flexibilität und Time-to-Market gewonnen wird – from Powerpoint to Execution. Nicht das Projekt ist das Ziel. Es geht nicht darum, sich über eine Genehmigung zu freuen und drei Jahre lang mit X Millionen Budget ein Wasserfallprojekt zu verwalten. Sondern natürlich geht es bei Führung auch um Resultate, Geschwindigkeit und um Agilität, da sich auch das Umfeld um einen herum verändert.

„Natürlich sind gerade unsere jungen Mitarbeitenden und Talente auf Agile total eingegangen und haben einen Riesenspaß. Aber auch die alten Hasen der Führungskräfte wurden mobilisiert und aufgescheucht.“

Die Senior Leadership Boards zum Beispiel: Da kamen neue Themen und neue Leute, die präsentiert haben. Die erzählen etwas vom letzten Sprint und was für Probleme es gibt – das Management musste dann anfangen, sich damit beschäftigen, um die Blockaden auszuräumen.

Agile ist gut, aber nicht überall. Wo würdest Du sagen, ergibt es für Euch am meisten Sinn?
Martin Grabowski: Bei uns hat sich Agile sehr bewährt, wenn cross-funktionale Teams in einem überschaubaren Zeitraum ein Projekt, Produkt oder eine Idee umsetzen müssen – häufig mit einer schwierigen Governance. Das Modell hat den Charme, dass es eine dedizierte Truppe gibt, die man ansprechen, anschauen und fokussieren kann – Fokus ist in so einem Großkonzern immer sehr schwierig. Klar gibt es immer ein Team, dass sich irgendwo mit Regelterminen trifft. Klar arbeiten da X Leute auf Powerpoints dran, aber jeder hat auch noch 15 andere Bälle die er hochhalten muss, sein Tagesgeschäft und andere Stakeholder, also: Zielkonflikte. Es ist daher wichtig, im Vorfeld eine klare Aufgabenstellung zu definieren – aber nicht mehr! Man darf aus dem Squad in unserem Kontext keine Dauerinstitution machen, die eine Linie ersetzt.

Welche Ratschläge würdest Du anderen Unternehmen geben?
Martin Grabowski: Das wichtigste ist, sich ganz am Anfang zu überlegen, wo agiles Arbeiten Sinn ergibt und wo nicht. Und dann seine spezifische Lösung zu erarbeiten. Wir haben uns zwar auch in unseren ersten Sessions Best Practice angeschaut, aber man muss trotzdem mit gesundem Menschenverstand sagen: Lass uns mal genau schauen wo unsere Probleme und unsere Geschäfte sind.

Ein weiterer Punkt ist: Du musst die Leute mitnehmen. Man muss aufpassen, dass man es nicht nach dem Motto angeht: „Da gibt es jetzt eine neue hippe Gruppe … und da sind dann noch die anderen“. Ich habe immer alle Führungskräfte involviert, obwohl ich wusste, dass nicht überall Squads oder agile Ansätze eingeführt werden. Auch bei den Mitarbeitenden haben wir nicht gesagt, wir involvieren nur diejenigen, die in diesen Gruppen arbeiten, sondern eben alle. Der Effekt war, dass die Ängste, Vorurteile und Barrieren abgebaut wurden.

Lucas Brosi
Lucas Brosi
Associate Principal
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