„So lernen junge Manager Führung – schnell und effektiv.“

undconsorten hat KPMG Deutschland über zwei Jahre dabei unterstützt, unter dem Motto „Führung stärken. Stärken fördern“ ein innovatives und umfangreiches Personalkonzept zu entwickeln und einzuführen. Das Ergebnis ist eine neue Führungsstruktur, in der junge Führungskräfte mehr disziplinarische Verantwortung übernehmen. KPMG-Vorstand Frank Grube erklärt im Interview, warum es sinnvoll ist, Ratings durch qualifizierte Feedbacks zu ersetzen, um die Entwicklung der Mitarbeiter zu fördern. Und wie es gelingt, sie in einem aggressiven Marktumfeld ans Unternehmen zu binden und die Fluktuation zu senken.

Was hat euch motiviert, Führung und Entwicklung bei KPMG neu zu denken?

Unser Hauptziel war es, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern attraktive Möglichkeiten zu bieten, sich zu entwickeln. Daraus ergab sich die Frage, wie wir sie bei ihrer Entwicklung wirkungsvoll und gezielt unterstützen können. Setzt man eher bei den Verbesserungspotenzialen an? Oder fokussiert man sich auf die spezifischen Stärken, die jeder Einzelne hat? Uns erschien dieser Ansatz überzeugender.

Was sind die wesentlichen Eckpunkte des neuen Personalkonzepts?

Wir verlagern die disziplinarische Führungsverantwortung für die Mitarbeiter, die bisher ausschließlich bei den ganz senioren Führungskräften lag, zu den Managern und Senior Managern und wollen sie möglichst früh einbinden und dazu befähigen, Mitarbeiter zu entwickeln. Auf diese Weise stellen wir die Führung auf eine breitere Basis. Besonders wichtig sind dabei die neuen Rollen, die HR-Coaches und HR-Partner einnehmen: Die Coaches unterstützen vor allem unsere jüngeren Führungskräfte. Die HR-Partner sind seniore Ansprechpartner für Führungs- und Entwicklungsthemen, die eine zentrale, steuernde Rolle im Entwicklungsprozess aller Mitarbeiter spielen – etwa wenn sie die Entwicklungskonferenzen moderieren.

Wirtschaftsprüfer rechnen ja mit spitzem Bleistift. Wie macht sich das neue Führungskonzept für KPMG bezahlt? 

Natürlich haben in den „Big Four“ Zahlen eine große Relevanz. Deshalb haben wir auch hier zunächst einmal den Business Case gerechnet und uns gefragt, welchen Aufwand unser bisheriges Führungskonzept verursacht. Ausgehend von dieser Basis haben wir festgelegt, wie hoch der durchschnittliche Aufwand für die angestrebte Führungskaskade voraussichtlich ausfallen wird. Im Ergebnis liegen wir nun zwar etwas darüber. Aber wir versprechen uns dafür eine deutliche Verbesserung der Führungsqualität und noch andere positive Effekte: Die Bindung der Mitarbeiter an KPMG und einen Rückgang der Fluktuation trotz eines aggressivem Marktumfeldes.

Partnergetriebene Organisationen sind oftmals sehr konservativ. Wie habt ihr Eure 700 Partner und Directoren überzeugt?

Um das Konzept in der Firma zu verankern, sind wir aus dem Vorstand schnell in die Managementteams gegangen, haben die Inhalte erläutert und nachgehorcht, ob wir etwas Wesentliches übersehen haben. Partner und Directoren wurden im Rahmen von großen Dialogformaten unter Mitwirkung des Vorstandes informiert. In Gesprächsrunden und Workshops haben wir Fragen beantwortet und kritische Diskussionen ermöglicht. Schließlich bringt das neue Personalkonzept eine gravierende Veränderung unserer Führungskultur mit sich.

Einer der Eckpfeiler des Konzeptes ist der Verzicht auf die Bewertung der individuellen Leistung der Mitarbeiter in Form von Ratings. Ist das bei den Mitarbeitern gut angekommen?

Dazu muss man zunächst wissen, dass das Rating bei uns in der Vergangenheit einen direkten Einfluss auf die variable Vergütung hatte. Bewertet wurde die Leistung auf einer Skala von 1 bis 5. In den Mitarbeitergesprächen haben wir meist lange über die reine Zahl diskutiert und das eigentliche Feedback sowie der Austausch über die persönliche Entwicklung kamen zu kurz. Jetzt bekommt jeder Mitarbeiter von seinen operativen Führungskräften auf dem Projekt ein qualifiziertes Projektfeedback – zu den fachlichen Skills, die auf dem Mandat erlernt wurden, und zu seinen spezifischen Stärken und Entwicklungsfeldern, wobei der Fokus klar auf den Stärken liegt. Der Vorgesetzte muss zur Reflexion der Leistung und möglicher nächster Karriereschritte des Mitarbeiters dann sechs einfache geschlossene Fragen beantworten, etwa zu dessen besonderen Leistungsbeiträgen oder zur Einordnung in seiner Peergroup.

Besteht nicht die Gefahr, dass es dabei zu Schatten-Ratings kommt?  

In einer stark auf Zahlen ausgerichteten Organisation gibt es sicherlich die Gefahr, dass sich alternative Bewertungsmodelle entwickeln können. Bislang haben wir das bei KPMG aber vermeiden können. Und wir werden auch in Zukunft diesbezüglich sehr genau hinschauen.

Das neue Konzept rückt die Entwicklung der Mitarbeiter in den Fokus. Welche Veränderungen haben sich für den Einzelnen ergeben?

Für die jungen Mitarbeiter unterhalb der Gruppe der Manager läuft das Personalkonzept jetzt gut eineinhalb Jahre. In diesem Zeitraum gab es zwei Vergütungsrunden, in denen die vorgesetzten Manager Gehaltserhöhungen und Boni ihrer Mitarbeiter diskutiert und individuell festgelegt haben. Darüber hinaus wurden in Entwicklungskonferenzen konkrete Entwicklungsschritte und Maßnahmen für die nächsten zwölf Monate schriftlich festgelegt. Entscheidend ist jetzt, dass wir es schaffen, die Elemente des Entwicklungsplanes auch im Alltag umzusetzen.

Die Gruppe der Manager und Senior Manager erlebt die Veränderung aus zwei Perspektiven: Zum einen sind sie als fachlicher und zum Teil auch disziplinarischer Vorgesetzter mit der Mitarbeiterführung befasst und müssen selbstverständlich auf Projekten als verantwortliche Manager Feedback geben. Zum anderen werden sie selbst von Directoren und Partnern geführt. So wird die Führungskultur sowohl durch die Art und Weise geprägt, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen, als auch durch die Erwartungen der Manager an ihre disziplinarischen Vorgesetzten und an die Partner.

Die wesentliche Veränderung für die Partner und Directoren ist, dass sie einen Teil ihrer disziplinarischen Führungsverantwortung, nämlich den für die junioren Mitarbeiter, an die mittlere Führungsebene abgegeben haben. Eine wichtige Rolle haben sie nach wie vor Kraft ihrer Rolle als Partner wie auch als disziplinarische Vorgesetzte für die Manager, d.h. sie entscheiden für diese Zielgruppe über Entwicklung und Vergütung.

Wenn du auf die Entwicklungen der vergangenen zweieinhalb Jahre zurückblickst – was sind die größten Erfolge des neuen Personalkonzepts? 

Ein klarer Erfolg ist, wie die Manager ihre Rolle als disziplinarische Vorgesetzte ausfüllen, wie sie mit hohem Verantwortungsbewusstsein in Mitarbeitergespräche und Vergütungsrunden gehen und uns die Organisation dazu sehr positive Rückmeldungen gibt. Das wir hier viel verbessern konnten, bestätigen uns alle Stakeholder: die Mitarbeiter selbst, die HR-Partner und auch unsere Betriebsräte.

KPMG ist selbst eine Professional Services Firm. Welchen Mehrwert leistet ein externer Berater aus Deinen Augen in einem Projekt wie dem Personalkonzept?

Ich vergleiche das gerne mit dem Fußball: So wie es in Deutschland gut 80 Millionen Bundestrainer gibt, finden sich in jeder Professional Services Firm mindestens so viele HR-Experten wie Partner und Directoren. Das bedeutet aber auch, dass es einen erfahrenen Berater braucht, der die externe Perspektive einnimmt, als Coach zur Verfügung steht und den Verantwortlichen im Unternehmen mit seiner Erfahrung den Spiegel vorhält.

Oft wird HR vorgeworfen, zu geschäftsfern zu agieren. Wie dient das Personalkonzept konkret dem Geschäft? 

Weil wir die Kompetenzen und Stärken unserer Mitarbeiter so schon früh sehr gut kennenlernen, können wir ihre Entwicklung gezielter fördern und sie zugleich viel breiter ausbilden – etwa, indem wir Mitarbeiter im Rahmen von Rotationsprogrammen in verschiedenen Geschäftsfeldern einsetzen. Diese qualifizierte Vielseitigkeit ist zunehmend gefragt. Seit drei bis vier Jahren beobachten wir, dass unsere Mandanten im Zuge der Digitalisierung Berater besonders schätzen, die als Geschäftsleute, Manager, aber auch als Gesprächspartner über den Tellerrand blicken und verschiedene Themen und Lösungsansätze kennen.

Du hast inzwischen die Führung von HR abgegeben und Anfang Oktober Verantwortung für die Services Tax und Law im Vorstand übernommen. Wie setzt Du zusammen mit dem Führungsteam das Personalkonzept in diesem Bereich um?

Das Personalkonzept muss in beiden Services als Best Practice der Maßstab sein. Wir erhoffen uns davon einen weiteren Rückgang der Fluktuation. Und wir wollen auch hier eine ebenso gezielte wie umfassende Entwicklung unserer Mitarbeiter erreichen.

Jens Müller-Oerlinghausen
Jens Müller-Oerlinghausen
Partner, Leitung Leadership Practice

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