Interview: Digitalisierung der globalen HR-Funktion bei STADA
Die globale Einführung einer neuen HR Suite bedeutet für viele Unternehmen eine große Herausforderung. Sie kann aber auch Gelegenheit, Chance und Hebel einer übergreifenden HR Transformation sein. Wie STADA das zusammen mit undconsorten gelungen ist, erzählt Dr. Thomas Mattes, Director People Analytics, in unserem Interview.
Das Interview führte Anton Daigeler (undconsorten).
Thomas, Ende letzten Jahres habt Ihr erfolgreich eine neue globale HR Suite bei Euch eingeführt. Wie kam es zu der Entscheidung?
Bei STADA stehen vier Werte im Zentrum unseres Handelns: Integrity, Agility, Entrepreneurship und OneSTADA. OneSTADA ist der Anspruch, im Interesse des gesamten Unternehmens zu handeln; dabei ist die Suite für uns ein wichtiger Hebel, um unsere Transformation von einem eher lokal geprägten zu einem globalen Unternehmen zu beschleunigen. Historisch war HR bei uns vor allem in den Ländern stark: Lokale Policies, Prozesse und People Data. Aber wir sehen großes Potenzial in der globalen Vereinheitlichung. Wir haben „one single source of truth“, erkennen Dinge schneller und können unserem Management eine hohe Transparenz bieten.
Wie unterstützt die Einführung die Transformation Eures HR Operating Models?
Wir werden als HR global, ganz im Sinne von OneSTADA. Das bedeutet wir können Aufgaben unabhängig von Ländergrenzen besser verteilen und bündeln, uns in den einzelnen Märkten aber auch besser gegenseitig unterstützen. Gerade für unsere vielen kleineren Märkte wird das ein echter Gewinn an HR Services sein. Die Digitalisierung schafft für uns auch Freiräume, das Geschäft stärker strategisch zu unterstützen. Globale Perspektive, Transparenz und strategische Unterstützung durch HR ist auch die klare Erwartung unserer Führungskräfte. Mit der Einführung der Suite können wir das besser leisten.
Waren denn sofort alle an Bord oder gab es auch Herausforderungen bei der Einführung?
Zuerst natürlich die Veränderung des Mindsets: Raus aus dem lokalen Denken, aus den lokalen Systemen. Die globale Perspektive auf allen Ebenen einnehmen, das war eine Umstellung für uns alle: von IT über HR bis zum lokalen Management. Wir hatten wenig Erfahrung mit globalen Projekten. Das bedeutet viel Erwartungsmanagement auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch sehr detaillierte Umsetzungsplanung. Es war deswegen für uns wichtig, den richtigen Mix aus globalem Rahmen und lokaler Perspektive zu finden.
Wie habt Ihr das gelöst?
Wir haben uns für eine Strukturierung unsere Märkte zu Hubs entschieden – ein Konzept, das großteils bereits aus dem Business bekannt war. Dadurch hatten wir klare Ansprechpartner:innen für die gegenseitige Kommunikation. Mit Blick auf die Transformation ist das auch eine Struktur, die wir für die verschiedenen Rollen in HR nutzen wollen – um kleinere Märkte, die kein großes HR-Team haben, bei der Weiterentwicklung der HR-Rollen effektiv zu unterstützen.
Im Prozess habt Ihr einen starken Fokus auf Change Management gelegt. Was war Eure Motivation dafür?
Über Change Management wird während Transformationen häufig geredet, aber dann zu wenig oder zu spät gemacht. Auch aus der Erfahrung in unserem Piloten wollten wir das anders angehen. Wir haben eine große Transformation auf vielen Ebenen gestartet: Von lokal zu global, viel mehr Digitalisierung und Transparenz, auch stärkere Nutzung von Self Services. Damit einher gehen auch neue Rollen für HR und Manager:innen, ein neues Operating-Model. Wir wollten diese Veränderung nicht nur in den großen Märkten erreichen, die traditionell viel Aufmerksamkeit bekommen, sondern wirklich über die gesamte Organisation hinweg. Hier langfristigen Erfolg zu erzielen, erfordert meiner Meinung nach explizite Change-Expertise. Wir wollten eine explizite Anlaufstelle für lokale Bedenken haben und die fachlichen Projektverantwortlichen dabei entlasten.
Haben Deine früheren Erfahrungen auch außerhalb STADA dazu beigetragen, in Change zu investieren?
Häufig sind System-Einführungen sehr effizienzgeprägt. Da geht es vor allem um Realisierung von Synergien und Projektabschluss im Zeit- und Kostenrahmen. Die Nutzer:innensicht bleibt regelmäßig außen vor. Bei STADA war schnell klar, dass ein HR-System, das ja für alle Mitarbeitenden ist, einen anderen Anspruch haben muss. Die Mitarbeitenden nehmen den Arbeitgeber auch über dieses System, über ihre Employee Experience wahr. Da gibt es auch Sorgen, z. B. bzgl. Datenschutz. Diesen Anspruch zu erfüllen, ist keine Aufgabe für Nebenbei. Wir als Unternehmen leben von Diversität und jedem mitarbeitenden Individuum. Es hätte nicht zu uns gepasst, unseren Mitarbeitenden einfach etwas überzustülpen.
Was hat es gebracht, Change so zu fokussieren?
Es ist uns gelungen, alle 45 Märkte so einzubinden, dass die Suite und die damit verbundene Transformation wirklich überall angenommen wird. Als dezentrale Organisation ist das für uns ein großer Erfolg, keine Selbstverständlichkeit. Wir wollten eine offene Projektorganisation schaffen, in der auch Platz für Bedenken und kritische Feedback ist. Das Investment in Change war auch ein Signal in diese Richtung an alle Stakeholder. Und es hat uns andererseits ermöglicht, über das gesamte Projekt hinweg nahe am Puls der Organisation zu sein.
Innerhalb eines Jahres Roll-out in 45 Ländern – da habt Ihr ein ganz schönes Tempo vorgelegt. Wie habt Ihr das geschafft?
Erstens: klare Priorisierung. Wir haben von Anfang an die Message gesendet, das Projekt und der Scope sind gesetzt. Wenn es da kein Fragezeichen gibt und man die volle Energie in die Umsetzung kanalisieren kann, dann wächst auch die Überzeugung aller Beteiligten. Und wenn alle dran glauben, dann wird es auch Realität. Zweitens war zentral, dass das gesamtes Projektteam genug Ressourcen bekommen hat, über alle involvierten Funktionen und Märkte hinweg. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich ein solches Projekt nicht erfolgreich umsetzen lässt, wenn die Leute das on-top machen. Darunter leiden dann der Fokus, der Speed und die verfügbare Brainpower. Mit unserem Ansatz haben wir ein Menge Reibungsverluste verhindert. Drittens hatten wir das richtige Projektteam. Das heißt Teammitglieder, die nicht nur inhaltlich richtig gut sind, sondern auch die Organisation und ihre Märkte und Stakeholder kennen. Dadurch waren wir immer vor der Welle. Ein starkes Team ist aber natürlich auch eine Herausforderung, bei der uns die Change-Expertise geholfen hat, die Energien in die richtigen Bahnen zu lenken.
Wie haben die Nutzer:innen bisher auf die Einführung der Suite reagiert?
Die ersten Rückmeldungen und Daten sind sehr vielversprechend – z. B. haben bereits kurz nach dem Go-Live mehr als 80 % unserer Zielpopulation den neuen Zielvereinbarungsprozess genutzt, über 90 % der Führungskräfte nutzten das System aktiv. Wir kriegen das Feedback, dass die Transparenz und der globale Ansatz gut ankommen. Auch unsere Mitarbeitenden haben die Suite gut angenommen. Und mit der Einführung weiterer Funktionalitäten, z. B. Learning, wird sich die Nutzung nur verstärken. Gleichzeitig gibt es noch einiges tun, gerade mit Blick auf Datenqualität. Transparenz des Systems bedeutet für uns hier auch Erwartungsmanagement als weiterer Change-Aspekt.
Was waren die Erfolgsfaktoren für die positive Annahme durch die Nutzer:innen?
Wir haben bei der Change-Begleitung den richtigen Mix aus Push und Pull zwischen der Zentrale und den lokalen Märkten gefunden. Wir haben zentral einen Rahmen an Materialien, Formaten und Kanälen bereitgestellt, die individuelle Ausgestaltung und Umsetzung aber den Profis vor Ort überlassen. Für mich war es auch wichtig, frühzeitig in den lokalen Projektteams selbst den Change zu begleiten und eine gute Dynamik und Energie zu schaffen. Die agieren über den gesamten Zeitraum als Botschafter:innen zum Geschäft und sind deswegen entscheidende Multiplikator:innen. Wir hatten insgesamt die Bereitschaft, den Change-Ansatz und die Umsetzung dynamisch anzupassen und mit den Stakeholdern selbst weiterzuentwickeln. Wir haben keinen Blueprint durchexerziert und das war entscheidend. Last but not least hatten wir auch einen tollen Support durch das Top-Management. Unser CEO hat z. B. zum Go-Live eine Videomessage an die gesamte Organisation mit einer klaren Message zur Transformation geschickt. Diesen einheitlichen „tone from the top“ haben wir auch bei ganz vielen weiteren Führungskräften erlebt. Das war für uns ein super Push.
Hat sich mit der Einführung auch an den Arbeitsweisen bei Euch etwas geändert?
Wir merken es direkt bei mir im Digitalisierung-Team. Da waren wir natürlich oft die erste Anlaufstation bei Problemen oder Nachfragen zu digitalen HR-Prozessen, gerade für die Kolleg:innen vor Ort. Mit der Suite-Einführung konnten wir ein globales Support-Modell und eine entsprechende Service-Organisation aufstellen. Das ist eine Professionalisierung, die für uns ein doppelter Gewinn ist: Schnellerer und besserer Support für die Nutzer:innen und mehr Fokus in meinem Team auf unsere Kernaufgaben.
Wie wollt Ihr die Einführung der nächsten Module nutzen, um die Transformation weiter zu verstärken?
Thomas: Wir haben bis jetzt nur die Grundlagen gelegt. Über die nächsten Module decken wir den gesamten Employee Life Cycle ab und kommen viel näher an den Endnutzer:innen. Die Vorteile der Suite-Einführung werden deutlich spürbarer und damit lässt sich auch die Transformation positiv kommunizieren und in die tägliche Arbeit integrieren. Gleichzeitig können wir als HR mehr Daten auswerten und so bei Bedarf besser nachsteuern.
Welche Ratschläge würdest Du anderen Unternehmen bei der Einführung einer HR Suite geben?
Wichtig ist, von Anfang an starkes Engagement bei entscheidenden Stakeholdern zu schaffen: Im Top-Management, in den betroffenen Märkten und im Projektteam. Deswegen war es für uns ein echtes Asset, jemanden an Board zu haben, der explizit den Change mitdenkt. Wenn man die Stakeholder nicht abholt und einbindet, dann bringt auch das inhaltlich beste Konzept nichts.
Letzte Frage: Es ist 2025, wie schaust du persönlich auf das Projekt zurück?
Wir werden uns freuen, wie selbstverständlich sich die Vorteile der Suite anfühlen. Persönlich werde ich aber auch dankbar für die gesunde Naivität sein, mit der man so ein Projekt angeht und insofern auch stolz über die große Transformation, die uns trotz aller Unabwägbarkeiten gelungen ist. Globale Projekte und Systeme werden der neue Standard sein und wir sind Teil der Geschichte, dass das möglich ist.